NB: Der folgende Artikel spiegelt nicht zwingend in allen Passagen
meine persönliche Meinung wider.
Den letzten Absatz kann ich allerdings mehr als unterschreiben(!).
Verkauft werden sie in Tütchen, mal als Kräutermischung, mal als Duftgemisch fürs Räuchermännchen, mal als duftender Badezusatz. Sie haben poetische, mitunter esoterische Namen und ansonsten vor allem eines gemein: Sie sind dafür gedacht, missbraucht zu werden. Sich den Schädel zuzuknallen, sich einen Rausch abzuholen, an den Regularien und Gesetzen vorbei als Droge frei gehandelt zu werden. Und sie sind kräftig, mitunter gefährlich - und manchmal sogar lebensbedrohlich.
In Deutschland sind sogenannte Legal Highs - immer wieder neue Stoffe, die von der Drogengesetzgebung noch nicht erfasst sind - ein altbekanntes Problem. Seit rund einem Jahrzehnt wurden vor allem per Internet, später auch über die sogenannten Head Shops verkaufte Kräutermischungen populär, die oft als Räuchermittel angepriesen von ihren Nutzern in Wahrheit geraucht oder geschnupft wurden.
Viele dieser Mischungen enthielten und enthalten synthetische Cannabinoide, also dem Haschisch-Wirkstoff THC verwandte Stoffe. Notorisch bekannt wurde vor allem das zeitweilig äußerst erfolgreiche "Spice", das auch zum Auslöser dafür wurde, dass diese Cannabinoid-Kräutermischungen in Deutschland vor zwei Jahren auf die Drogenliste wanderten: Die gemessene Wirkstoffkonzentration dieser Mixe lag mitunter beim 20-fachen von dem, was mit natürlich gewachsenen Hanfprodukten zu erreichen ist.
Berichte darüber, dass dieses Problem per Gesetz erledigt sei, erweisen sich seitdem immer wieder als verfrüht. Erst am 18. Januar konnte die Münchner Polizei einen Erfolg feiern, als sie im Rahmen von Razzien gegen sogenannte Head- oder Army Shops 670 Päckchen mit drogenhaltigen Kräutermischungen konfiszierte. Warum so etwas auch nach dem Verbot immer noch in Massen angeboten wird, wird klar, wenn man auf den "Beifang" sieht: Konfisziert wurden auch 263.430 Euro Einnahmen. Denn für die Händler bringen die Kräuterpäckchen Gewinnmargen bis zu 250 Prozent - im klassischen Cannabis-Handel sind für Händler angeblich nur 50 bis 100 Prozent Marge zu erzielen.
Kräuter und Salze: Immer mehr, immer härter
Anhaltend beliebt sind die Päckchen auch bei der "trippenden" Kundschaft - sie wirken weit härter als klassische THC-Produkte. Immer wieder, berichtet Armin Aumüller, Leiter der Münchner Drogenfahndung, müssten Konsumenten in den Notaufnahmen sogar wiederbelebt werden. Wirkungen und Nebenwirkungen der ständig wechselnden Tütchen-Produkte seien völlig unberechenbar, Herz, Kreislauf- und Nervensystem könnten beeinträchtigt werden.
Zuletzt warnte das Bundeskriminalamt (BKA) im Dezember vor den Gefahren der vermeintlich harmlosen Legal Highs: "Dem BKA wurden Fälle aus ganz Deutschland bekannt, in denen es nach dem Konsum von Legal High-Produkten zu teilweise schweren, mitunter lebensgefährlichen Intoxikationen kam. Die meist jugendlichen Konsumenten mussten mit Kreislaufversagen, Ohnmacht, Psychosen, Wahnvorstellungen, Muskelzerfall bis hin zu drohendem Nierenversagen in Krankenhäusern notfallmedizinisch behandelt werden."
Auch im Nachbarland Österreich läuft gerade die Diskussion, wie man dem vermeintlichen, dort meist über Ungarn laufenden Kräuterhandel so beikommen könne, dass die Räucherpäckchen als das behandelt werden können, was sie sind: "Secret Bombs" - Drogenpäckchen mit bombiger Wirkung. Die, berichtete am Freitag der "Kurier", beruht meist auf den synthetischen Cannabinoiden JWH 122 und JWH 250 (oder auf sieben weiteren bekannten, aber weniger verbreiteten Stoffen ähnlichen Zuschnitts), die in den USA zur medizinischen Behandlung von Schmerz- und Krebspatienten entwickelt wurden.
31 neue Drogen in einem Jahr
Besonders betroffen von der seltsamen Drogenwelle ist derzeit Großbritannien. Dort fanden sich im Verlauf des letzten Jahres alle 31 neu entdeckten Drogentypen, die das European Monitoring Centre on Drugs and Drug Abuse (EMCDDA) 2010 erstmals identifizierte, im Gebrauch. Im Vorjahr fanden die EU-Experten 24 neue Drogen, im Jahr davor nur 13 - entweder, die Suchmethoden werden besser, oder die Methoden der Drogenpanscher, immer neue Mischungen zu erfinden.
Neben Cannabinoiden kommen dabei zunehmend synthetische Cathinone (gehören zu den Amphetaminen) in Umlauf, aber auch Chemie-Cocktails, die versuchen, die Wirkungen von Kokain zu simulieren - mit unklaren, mitunter aber tödlichen Nebenwirkungen. In Großbritannien starben 2010 nachweislich mindestens zwei Männer nach Konsum eines Chemie-Cocktails, der neben dem Cathinon Mephedron auch das Heroin-Substitut Methadon enthielt. In Umlauf gebracht werden Cathinone wie Mephedron meist als weißes Pulver zum Schnupfen, das als "Badesalz" angepriesen wird - auch das BKA kennt diese Produkte, die in Deutschland seit mindestens 2008 in Umlauf sind.
In Großbritannien sollen Millionen Menschen zu den Konsumenten von Kräutern, aufgemotzten Pilz-Konzentraten oder synthetischen Amphetaminen gehören: Eine nicht repräsentative Umfrage unter Schülern erbrachte in der letzten Woche das Ergebnis, dass 30 Prozent der Befragten bereits Erfahrungen mit den vermeintlichen Natur-, in Wahrheit aber Designer-Drogen gemacht hatten. Im Schüler- und Studentenmilieu, bekräftigt auch die dortige Polizei, habe es auch die ersten Opfer gegeben: Mehrere Selbstmorde der letzten Monate werden auf "bad trips" oder durch Panschdrogen induzierte Psychosen zurückgeführt. Dazu kommen Todesfälle durch Überdosierungen oder die bekannten organischen Nebenwirkungen.
Hauptbestandteil vieler dieser Drogen sind experimentelle Schmerzmittel oder chemische Formeln von irgendwann einmal an Mensch oder Tier getesteten Substanzen, die sich die Drogenmischer aus der akademischen Fachliteratur zusammensuchen. Die Stoffe aus der Pharmazie und Forschung sind ideale Komponenten für den Drogen-Baukasten: Man träufelt sie einfach in ständig wechselnde Pflanzen-Mixes, die in Wahrheit nur als Träger genutzt werden. In bunte Tütchen verpackt und mit netten Namen versehen sieht das harmlos aus.
Während sich Behörden noch um das Verbot einer gerade als Rauschdroge erkannten Kräutermischung bemühen, wird die auf dem Markt schon wieder durch die nächste ersetzt - harte Zeiten für Drogenfahnder, deren Labore bei der Identifizierung der Stoffe kaum hinterherkommen.
Wie problematisch das alles ist, zeigt sich im Hinweis des BKA zur rechtlichen Situation: "Der Umgang mit solchen Produkten ist jedoch nach dem Betäubungsmittelgesetz strafbar, sofern sie Betäubungsmittel enthalten. Sind ähnlich wirksame Substanzen enthalten, die nicht als Betäubungsmittel eingestuft sind, gelten bei einer pharmakologischen Wirkung des Produkts die Bestimmungen und Strafvorschriften des Arzneimittelgesetzes."
Das ist schön und gut: Aber wer soll wissen, was drin ist in den frei über den Ladentisch verkauften Produkten, die nach Aussage der Verkäufer stets "Nicht für den menschlichen Verzehr geeignet" sind?
Welle von Selbstmordversuchen in den USA
In den USA läuft nun die Diskussion um die nächste Eskalationsstufe: Aus mehreren Bundesstaaten gibt es Berichte über Psychosen, über eine Welle von Selbstmordversuchen und Selbstverstümmelungen im Drogenrausch - induziert durch die aus Europa bekannten, wohl auch von hier zugelieferten "Badesalze".
In Amerika treffen die auf eine knallharte Drogenszene, in der viele zu allem bereit sind. Zum Kronzeugen für die Gefährlichkeit der vermeintlichen Badezusätze wurde in den letzten Wochen der bekennende Süchtige Neil Brown. Der, sagte er gegenüber Polizei und Presse aus, habe in seinem Leben so ziemlich jede harte Droge von Heroin bis Crack konsumiert. Was er aber im Rausch des angeblichen Badesalzes Mephedrin erlebt habe, hätte ihn so geschockt, dass er damit den Weg in die Medien suchte: Er rief eine Zeitung an, um andere Leute vor dem Konsum zu warnen.
Nach Browns Angaben erlebte dieser einen "bad trip" mit extrem beängstigenden Halluzinationen. Als der Süchtige wieder bei Sinnen war, stellte er fest, dass er sich im halluzigenen Rausch mit einem Abhäut-Messer für die Jagd im Gesicht und am Bauch geschnitten hatte. Brown überlebte den blutigen Selbstverstümmelungs-Trip, andere nicht: Es gibt Berichte über tödliche Überdosierungen, über den Fall eines Mannes, der sich im Drogenrausch selbst die Kehle durchschnitt und dann noch die Kraft fand, sich zu erschießen, über einen möglicherweise durch die Badesalz-Droge induzierten Amoklauf, der einen Polizisten das Leben kostete. Mit einigen Jahren Verspätung heizt nun die Debatte auf, wie man mit gesetzlichen Mitteln versuchen könne, diese neue, so schwer zu kontrollierende Drogenwelle einzudämmen.
Ein Mittel, das nun einmal mehr in die Diskussion kommt, wäre die Legalisierung der Droge, als deren Ersatz die gefährlichen Kräuter- und Chemiepakete meist verkauft werden. "Das Abartige", zitiert der österreichische "Kurier" Rainer Schmid, Drogenexperte am Wiener Allgemeinen Krankenhaus und Leiter der Drogenberatungsstelle "Check it", an der Geschichte sei doch, dass "das vergleichsweise harmlose Cannabis" verboten, die wirklich gefährlichen Kombinationen aber legal zu bekommen seien. Schmid fragt sich da, "warum man natürliches Cannabis angesichts dieser Umstände überhaupt noch verfolgt". Was nicht zuletzt eines bedeutet: Der Experte hält den Kampf gegen Kräuter, Badesalz und Co. offenbar für verloren.
Samstag, 18. Januar 2014
Badesalze - oder doch lieber zurück in die Zukunft?
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